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Den 6. August 2022

… und eine Wanderung entlang Kapellen und einem Kreuzweg

Nach meinem kurzen Aufenthalt in Sent, wo ich so viele schöne Momente erlebt habe, war es Zeit um wieder weiter zu reisen: diesmal ins Vinschgau in Norditalien, in Südtirol, nach Mals. Aber bis es so weit war, habe ich auch noch eine schöne und vor allem gemütliche Wanderung gemacht mit Monika, meiner „Schulfreundin“ aus dem Romanisch-Kurs. Wir waren schon früh verabredet, um 9.30 Uhr, am Bahnhof von Scuol, von wo wir weiterreisten mit dem Postauto nach Ftan. Dort fing ein schöner aber steiler Aufstieg von 1.650m ü.M. nach Alp Laret auf 2.206m ü.M.: dort liegt die Alphütte mit Gasthaus wo wir schon zwei Mal gewesen waren und wo es angenehm ist um zu verweilen: einmal oben angekommen gibt es auch wunderschöne Ausblicke und auch gute Gerichte um zu essen! Es wurde ein sehr gemütlicher Tag mit guten Gesprächen. Einige Minuten nach drei waren wir wieder in Scuol zurück – recht zeitlich für mich um den Bus über Martina an der österreichischen Grenze und über Nauders nach Mals zu nehmen. Es war jedoch auch Zeit um mich zu verabschieden von Monika und vom Engadin.

Der Bus nach Mals war vollbesetzt – die in Italien noch immer vorgeschriebene Mund-Nase Schutzmaske konnte ich nicht mehr zurückfinden (es fand sich heraus dass sie irgendwo unten im Rucksack versteckt war), aber der Busfahrer war so freundlich um darüber keine Umstände zu machen… Die Sicht vom Bus auf den Reschensee war jetzt sommerlich: es gab keine Wanderer auf dem Eis um dem einsamen Kirchturm in Graun (wie das letzte Mal als ich vorbeifuhr!), sondern schon viele Kite-Susrfer auf dem See die profitierten vom relativ starken Win der durch das Tal des Reschenpasses weht. Es sah herrlich sommerlich auf – mit Inbegriff vom Blick auf den Ortler, wovon der Gipfel jetzt etwas versteckt war hinter gräulich-weissen Wolken. In Mals fing ich den sehr heissen Spaziergang gegen den Hang an, zu meinem Hotel, zum BioPanoramahotel, wo Nachhaltigkeit und biologische Produkten, aus eigenem Gemüsegarten oder sonst woher, sehr betont werden. Dieses Mal hatte ich auch das Abendessen beigebucht: es hat mir also an nichts gefehlt…!

Sowohl am Tag als ich ankam als gestern war es im Tal so drückend warm dass ich auf meinem kühlen Zimmer an der Nordseite des Gebäudes geblieben bin und nur zum Frühstück und zum Abendessen nach unten gegangen bin! Also mal das richtige „dolce far niente“. Die Aussicht auf den Ortler ist vertraut, aber auch immer wieder beeindruckend!

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Mals: Blick nach Südosten auf Glurns (rechts) und das Ortlermassiv (Mitte) gegen einen gewittrigen Wolkenhimmel

Vorgestern Abend waren die Gewitterstürme nur drohend, aber gestern Abend brach schon ein gigantisches Gewitter aus mit viel Regen – jeder hat sich hiernach gesehnt! Der Regen hielt auch am heutigen Morgen noch lange an. Als die Temperaturen etwas angenehmer waren, entschied ich mich für eine einfache Wanderung nach Glurns (auf Italienisch Glorenza), dem mittelaltrigen Städtchen worauf ich vom Hotel schaute. Ich war schon öfters in Glurns gewesen. Am 30. Juli 2018 war ich zum ersten Mal im Vinschgau: damals habe ich an der Aussenseite der Stadtmauern um den westlichen Teil gegangen auf dem Weg zum Bergwaal, einem der Bewässerungskanäle die hier Waale genannt werden, am Nordhang des Glurnser Köpfls. Am 10. August 2019 war ich dort zum zweiten Mal: während eines Spazierganges vom Dorf Laatsch im Westen kam ich nur bis auf der Terrasse des historischen Gasthofes zum Grünen Baum. Heute bin ich mal über die östliche Seite um die Stadt gegangen – und später auch noch durch das Wirrwarr von sehr mediterran anmutenden Gassen. Obwohl es auf der Hauptachse durch die Stadt von Norden nach Süden ganz viel (Auto-)Verkehr gibt, ist die Hektik in den übrigen Teilen nicht so schlimm. An der Aussenseite der nördlichen Stadtmauer ist ein langgezogener Park angelegt worden, mit u.a. einem Kinderspielplatz und vielen Blumenbeeten. Die Wachtürme mit ihren Satteldächern von orangeroten Dachziegeln fallen schon auf. Es steht ein gemauertes Denkmal das vom Bau her schon der Stadtmauer ähnlich sieht mit darauf einer Gedenktafel von hellem Naturstein zu Ehren des Gründers des Parkes, Doktor Ferd. Plant, Arzt in Glurns. Sein Gesicht en profil ist in Bronze darauf abgebildet worden. Ein Jahr wird erwähnt: 1912. Es ist hier ruhig.

In Glurns gibt es drei Stadttore, die aus dem 16. Jahrhundert datieren und die alle drei benannt worden sind nach dem Ort wohin der Weg aus der Stadt zuerst führt: das Malser Tor nach Norden, das Taufener Tor nach Süden und das Schludernser Tor nach Osten. Alle Torgebäude haben einen Turm aus drei Stockwerken mit Schiessscharten. Der Fresko am östlichen Torgebäude ist noch gut sichtbar: darauf sind viele heraldische Wappen abgebildet worden.

Ich trat nicht durch das Tor in die Stadt, sondern verfolgte meinen Weg entlang der Aussenseite der Stadtmauer, entlang den gemeinsamen (Gemüse-)gärten und kleinen Bauernhöfen. Bei einem dieser Bauerhöfen sah ich etwas Witziges: da stand ein Traktor von einer handlichen Format in einer klassisch grünen Farbe auf dem Hof geparkt. Auf der Grille war ein Schild mit einer Nummer: „302“. Er hatte teilgenommen an die 6. „Stilfserjoch Oldtimer Traktor Tour“ am letzten 25. Juli!

Die Sicht auf die südliche Stadtmauer war ebenfalls etwas Besonders, bestimmt gegen den Hintergrund der steilen Berghänge an der Westseite des Tales und die noch immer bedrohlichen Wolken. Die zwiebelförmige Turmspitze der St. Pankratiuskirche glänzte im Sonnenlicht. Geschützt von der hohen Mauer an der Südseite wuchsen Trauben und andere Obstsorten; es standen auch viele Baumnüsse. Ein Efeu hatte sich im Laufe der Zeit ziemlich ausgetobt: über eine ganze Strecke der Stadtmauer hatte er dicke Äste gebildet mit Ausläufern bis oberhalb der Stadtmauer. Das war angeblich doch nicht erwünscht gewesen: auf einigen Metern oberhalb des Bodens waren die Stämmchen abgesägt worden, weshalb jetzt eine Hecke von totem, gräulich-braunem Holz an der Mauer hinunterhing…!

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Glurns: Blick nach Westen auf den Wachturm und das Stadttor (Mitte) der südlichen Stadtmauer und die St. Pankratiuskirche (links)

Ich erreichte das bekannte Stadttor an der Südseite beim Fluss Etsch. Nach dem Regen von gestern und heute floss das Wasser rasch weiter. Auch hatte es ein bräunliche schlammartige Farbe. Jetzt sah ich erst dass bei der Brücke ein Brückenheiliger stand: es ist St. Johannes Nepomuk, ein böhmischer Priester und Märtyrer aus dem 14. Jahrhundert, der im 18. Jahrhundert heilig gesprochen worden ist. Er starb durch Ertrinkung, weil der König von Böhmen empört war dass der Priester als Beichtvater der Königin das Beichtgeheimnis nicht brechen wollte (der König war neugierig gewesen…). Er ist der Schutzpatron von u.a. Schiffern und Beschützer von Brücken…

Die weitere Wanderung südlich von Glurns sollte eine etwas spirituelle Atmosphäre behalten. Bei der St. Pankratiuskirche, die ausserhalb der Stadtmauern steht, ging ich über eine Teerstrasse die später überging in einem von Gras zugewachsenen breiten Weg. Dieser Weg wird im Winter benutzt als Winterwanderweg, aber er dient jetzt vor allem den Obstbauern als Zufahrt zu den Obstplantagen. An der hohen steinernen Mauer des Friedhofes der zur St. Pankratiuskirche gehört war ein grosses Schild mit der St. Jakobmuschel, hier stilisiert abgebildet mit goldenen Streifen wie Strahlen auf einem dunkelblauen Feld, das Symbol des Jakobsweges, auf einer terrakottafarbigen Tontafel. Dieser Teil des Jakobsweges in Südtirol führt durch das Vinschgau, Vinschgau, Etappe 14, über einen Abstand von etwa mehr als 15 Kilometern, vom Dorf Prad am Stilfsersjoch, wo das Tal des Suldenbaches aus dem Süden ins Vinschgau auskommt, zum Kloster Marienberg am Berghang westlich von Mals. Von dort aus führt die letzte Etappe zum Kloster St. Johann in Müstair, das gerade über die Grenze in der Schweiz liegt. Es führt auch ein Kreuzweg von der Kirche zu einer St. Jakobskirche in einem kleinen Weiler östlich von Glurns, Sölis. Dieser Kreuzweg war ganz modern gestaltet mit ziemlich eckigen Schaukasten aus Cortenstahl, aber im inneren waren die Stationen mit kräftigen Strichen in derselben Art Tontafeln eingekerbt worden als in der Tafel mit dem Symbol des Jakobsweges. Es verlieh ein besinnliches, aber schon engagiertes Bild. Hier und da, aber vor allem bei der 12. Station, lagen St. Jakobsmuschel auf der Umrahmung.

Von dieser Seite des Tales war eine schöne Aussicht auf den Tartscher Bichl, oder auch schon Tartscher Bühel: den von der polierenden Wirkung der damaligen Gletscher merkwürdig rundgeschliffenen und kahlen Steinbrocken, gerade östlich von Mals. Zwischen dem Grün der Berghänge und den Obstplantagen fällt die bräunlich-graue Farbe des Felses sehr auf! Später sollte ich von grösserer Höhe ein noch schöneres Bild bekommen.

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Östlich von Glurns: Blick auf den kahlen Felsen, den Tartscher Bichl, an der Ostseite von Mals gegen den Hintergrund der Spitzigen Lun

Von der Station Nr. 12 wies ein Pfeil nach recht den Hang hinauf, zur St. Jakobskirche. Nach einiger Zeit sah ich eine kleine einfache Saalkirche auf einer Lichtung zwischen den Berghängen und den Obstplantagen. Die frühesten Erwähnungen dieser kleinen Kirche datieren aus den Jahren 1220 und 1249. Damit ist das Kirchlein die älteste St. Jakobskirche in Südtirol. 1499 wurde die Kirche niedergebrannt während der Kämpfe zwischen den Truppen aus Graubünden und Schwaben. In den Jahren 1570–1580 ist sie in gotischem Stil wiederaufgebaut worden. 1799 ist die Kirche beim Durchzug der französischen Truppen erneut zerstört worden. Erst in den Jahren 1990 haben die neuen Besitzer das Gebäude restaurieren lassen. Damals hat man auch bei Ausgrabungen Teile einer früheren Kirche aus dem 7. und 8. Jahrhundert entdeckt, also älter als die ersten Erwähnungen. Auch wurden Bruchteile romanischer Fresken gefunden. An der Westseite des Gebäudes stand ein offenen Glockenstuhl auf dem von Schindeln gedeckten Dach. Zwei Glocken hingen dort die geläutet werden können mit einem dicken Seil der entlang dem kleinen Fenster in der Westmauer hängt: ich sah den Seil wie auch die romanischen Fresken aus der früheren Kirche die jetzt an der weissen Wand aufgehängt worden waren – dazu sollte ich mich etwas anstrengen, weil es auch eine Spiegelung gab einer grossen Weide die gegen das Gebäude wächst. In der steinernen Mauer um das Kirchengebäude ist auch ein modernes Kunstwerk mit Motiven aus dem Leben des Heiligen Jakobus. Diese kleine, irgendwie in sich gekehrte Kirche und auch die Aussicht nach Osten über das grüne Tal des Vinschgaus strahlten Ruhe aus.

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Östlich von Glurns: Blick auf die Westseite der St. Jakobskirche und stromabwärts ins Tal des Vinschgaus

Der schmale und steinige Weg führt immer weiter steigend am Berghang hinauf, zur St. Martinskapelle. Hier war der Wald dunkel mit Farnen und vielen Nadelbäumen. Es gab auch kleine Gitter um den Weg um das Vieh – das ich jetzt nicht sah – im Wald oder gerade draussen zu halten. Hier und da war die Route markiert worden mit den üblichen Farben Rot und Weiss: es war witzig zu sehen dass jemand die Idee gehabt hatte dass ein Pfahl in Bleistiftform auch lustig war!

Nach ungefähr zwanzig Minuten über den steilen Weg erreichte ich den nächsten spirituellen Punkt: die St. Martinskapelle. Die Kapelle und ein Nebengebäude sahen jetzt wieder ganz weiss verputzt aus. Das letzte Mal als ich die Kapelle gesehen hatte war vor drei Jahren als ich nach dem anstrengenden ersten Teil von Etappe 69 der Via Alpina (von Taufers i.M. nach Stilfs) fast mit letzter Kraft vom Glurnser Köpfl hinuntergewandert war… Damals war man beschäftigt gewesen mit dem Umbau der Kapelle – das Gebäude hatte grau und trostlos ausgesehen. Jetzt war es vorbei: auch der erneuerte hölzerne Dachreiter stand wieder stolz auf dem Dach. Mit schönen Buchstäben stand oberhalb des (geschlossenen) Zugangstores geschrieben dass die St. Martinskapelle 1688 erbaut und 2020 renoviert worden war. Der Heilige Martin war angeblich ein Bischof, denn so wird er angerufen. Ihm wird gefragt: „entzieh uns nicht Deinen Schutz. Amen“.

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Oberhalb von Glurns: Blick vom Südosten auf die schön restaurierte St. Martinskapelle mit Nebengebäude

Von Mals her ist das weisse Gebäude sehr gut sichtbar gegen das Grün von Obstplantagen und Wiesen mit dem Hintergrund der Wälder des Glurnser Köpfls. Die Aussicht von der St. Martinskapelle nach Norden ist auch schon beeindruckend. Der Höhenunterschied zwischen der Kapelle und dem Fluss Etsch ist über 150 Meter! Weiter nach Nordosten schaut man über das Städtchen Glurns mit den deutlich sichtbaren Stadtmauern zum Tartscher Bichl. Weiter nach Nordwesten kam das Obervinschgau ins Bild: über Mals an der rechten Seite hinweg schaut man über die Malser Haide in die Richtung des höhergelegenen Reschensees. Diese Aussicht war die Belohnung für den steilen Aufstieg!

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Oberhalb von Glurns: eine schöne Aussicht von der St. Martinskapelle über die Festungsstadt und den Tartscher Bichl im Hintergrund
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Oberhalb von Glurns: eine schöne Aussicht von der St. Martinskapelle nach Nordwesten über das Obervinschgau mit der Malser Haide und Mals (rechts)

Nach einem Abstieg von ungefähr einer halben Stunde kam ich wieder bei der Nationalstrasse nach Glurns. Dort sah ich auch wieder den stilisierten Wanderer aus rot beschichtetem Metalldraht, worüber ich mich schon am ersten Mal, Juli 2018, gestaunt hatte. Für mich war es nicht richtig ein munterer Wanderer mit Rucksack und Bergstock, sondern eher eine gekrümmte alte Person lehnend auf ihrem Gehstock… Selber ging ich munter weiter entlang der stark befahrenen Strasse. Irgendwo bog mein Pfad ab zu einer Obstplantage mit Aprikosen. Hinter dem Gitter sah ich, ganz zu meinem Kummer, eine grosse Menge reifer Aprikosen auf dem Komposthaufen liegen… In den Bäumen hingen auch noch ziemlich viele Früchte. Gäbe es nur kein Gitter… Nachdem ich eine Weile herumgeschaut hatte sah ich doch noch einige Aprikosen im hohen Gras, die ich mit meinem Wanderstock in meiner Richtung rollen konnte. Sie waren nicht so richtig reif wie ich erwartet hatte, aber sie waren schon durstlöschend…

Es dauerte nicht sehr lange um wieder bei der St. Pankratiuskirche an zu kommen, die wie so viele Kirchen in dieser Gegend, schon sehr alt ist. Die Kirche wurde 1227 zum ersten Mal erwähnt. Von der ursprünglichen Kirche ist nur der Kirchturm übriggeblieben. Der barocke Aufbau mit dem zwiebelförmigen Dach stammt aus der Zeit nach 1664. Am Ende des 15. Jahrhundert is das Schiff erneuert worden in einem gotischen Stil. Am Turm ist ein grosser vielfärbiger Fresko gemalt worden mit einer Vorstellung aus dem Jüngsten Gericht. Auch gibt es einen lange Text auf Latein und das Jahr 1296. Faszinierend zu es zu betrachten. Viel schlichter und viel mehr Schwarzweiss ist das Kriegsdenkmal das anfangs den Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg gewidmet war. Es ist von der Gemeinde Glurns errichtet worden und steht seit 1923 an der Westwand einer Kapelle an der Innenseite des Friedhofes: die St. Johann Nepomuk Kapelle aus 1742–1747. Auf einer Art von Altar aus ockerfärbigen Naturstein stehen in schwarzen Buchstäben auf einer Tafel aus weissem Marmor die Namen der Gefallenen. Darüber hängt ein Kruzifix, vor den Wettereinflüssen geschützt von einem schön gestalteten Dach mit (erneut) Schindeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind an beiden Seiten der Haupttafel aus Marmor zwei kleinere Tafeln mit Namen angebracht worden. Die Grünanlage sah gut gepflegt aus und die niedrigen Hecken aus Buchsbäumen waren gradlinig geschnitten worden. Das kleine schmiedeeiserne Tor das ein wenig klemmte, führte zu einem kleinen, geradeeckigen mit weissem Marmor und grauem Hartstein gepflasterten Platz. Das Jahr 1992 war im Belag verarbeitet worden. Das gibt doch Stoff zum Nachdenken…

Nachdem ich wieder die Brücke über die Etsch überquert hatte, bog ich gleich ab zum östlichen Teil der Stadt, durch eine Gasse die zwischen der Stadtmauer und die Häuserreihe lag. Auch hier waren die runden Wachtürme wieder sichtbar. Erst jetzt fiel mir auf wie hoch die Stadtmauer ist! Ich erreichte schlussendlich die Wassermühle, die schon 1330 gebaut worden ist. Im gleichen Jahr ist der Mühlebach ausgegraben worden: bei der Brücke über die Etsch wurde (und wird noch immer) Wasser abgezapft und durch einen eigenen Bach, den Mühlebach, zur Mühle geleitet. Vor einigen Jahren ist sie komplett restauriert worden und seitdem funktioniert sie wieder. Weil die Umgebung von Glurns fruchtbar was, wuchs das Getreide sehr gut. Unter anderem deswegen genoss die Zunft der Mühler hohes Ansehen. Auf dem Gebäude der Mühle ist das Zunftzeichen der Mühler noch immer sichtbar: zwei etwas verblasste Löwen halten ein Mühlrad fest. Jetzt stand ein Schild mit der Mitteilung dass die Mühle aus Sicherheitsgründen geschlossen war – ich habe angenommen dass es wegen COVID-19 war. Ich konnte das hölzerne Rad gut sehen: jetzt floss kein Wasser entlang dem Rad, denn das wurde von einer Lucke im Mühlenbach zurückgehalten und weiter geleitet. Die Strömung war schnell und das Wasser unvermindert trüb. Damals war man sparsam mit Wasser: das Wasser das zuerst über das Mühlrad floss, wurde später wieder verwendet von den Gerbern die weiter nach Osten entlang der Stadtmauer tätig waren.

In der Nähe der Wassermühle steht eine alte Scheune die offensichtlich repariert worden ist. Vor ihr fliesst durch eine abgedeckte Rinne das aus der Etsch abgezweigte Wasser zur Mühle. Die grossen Birnbäume haben schon einige Früchte losgelassen. Vielleicht sind es Palabir(nen), eine Birnerasse die in diesem Teil des Vinschgaus berühmt ist und auch wohl die „Sommerapothekerbirne“ genannt wird, weil der Frucht so gesund ist. Diese Hochstammbirnenrasse ist schon alt: sie wird 1775 bei der ersten Vinschgauer Obstbaumzählung schon gemeldet. Ausserdam wird jedes Jahr in September in Glurns ein Palabirnenfest organisiert. Weil die Birne auch wegen des hohen Zuckergehalts leicht verderblich ist, wird sie in Scheiben geschnitten und getrocknet – Stückchen dieser getrockneten Birnen werden auch in einem Fruchtbrot verwendet, im Palabirnbrot. Die Früchte die jetzt am Boden sind, werden bestimmt von Wespen und Bienen gefressen!

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Glurns: im östlichen Teil der Festungsstadt steht eine alte Scheune die vor nicht zu langer Zeit repariert worden ist

Glurns war nicht nur ein strategisch gelegener Ort, sondern bestimmt auch eine Handelsstadt. Dazu ist im 16. Jahrhundert im östlichen Teil dieses Ortes eine Strasse angelegt worden die von Ost nach West verläuft und an die Hauptstrasse anschliesst. An dieser Strasse sind Häuser gebaut worden mit Lagerhallen und mit einer überdachten Arkade an der Vorderseite. Die Häuser sind heute keine richtige Geschäftshäuser mehr, aber diese Laubengasse besteht noch immer. Jetzt werden sie als Atelier benutzt oder gerade als Wohnhaus. Dieser weiss verputzter Korridor sieht ganz mediterran aus! An der anderen Seite der Strasse gibt es auch Restaurants, wo Leute gemütlich draussen sitzen mit einem Glas und Häppchen.

Die grosse von einem Zwiebelförmigen Dach versehene St. Pankratiuskirche ist schon aus der Ferne sichtbar, aber im östlichen Teil der alten Stadt ragt irgendwo noch ein weiteres „Zwiebeltürmchen“ hoch. Das gehört der Unseren Lieben Frau Zufluchtkirche deren Aussenseite nicht gerade spetakulär aussieht, aber schon alt ist. Einer Broschüre die in der Kirche lag nach wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an dieser Stelle ein Krankenhaus für alte Leute, Kranke und Pilger gegründet, das von einem römisch-katholischen Orden geführt wurde. Als dieser Orden 1534 Glurns verliess hat der Pfarrer die Seelensorge übernommen. 1634 brannten die Stadt und auch die Kirche nieder. Die neue Kirche wurde Maria gewidmet und wurde dazu eine Kirche für alle. Nach den Plünderungen durch die französischen Truppen 1799 wurde die Kirche erneut errichtet. Im Laufe der Zeit wurden Stilelemente hinzugefügt, wie die üppigen Altare (1873). Die letzte umfassende Renovierung war 1988. Das Eingangstor hat an beiden Seiten der schön gestalteten Doppeltüren stattliche Pfeiler aus gräulichem Naturstein. Hierauf ruht ein halbrundes Tympanon das besteht aus einem gestuckten Band, dekoriert mit Blumenmustern und einem farbenfrohen Fresko der Mutter-mit-Kind zeigt. In schönen Buchstäben steht „Deinem Hause geziemt Ehrfurcht, den(n) d. Herr ist nahe!“ geschrieben. In der Kirche ist es überraschend hell und das Innere ist reichlich dekoriert. Ich möchte auch hier eine Kerze brennen für den Weltfrieden, aber das hatten angeblich viele Menschen vor mir schon getan: es gab keine Kerzen mehr!

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Glurns: Blick auf das Altar in der „Unseren lieben Frauen-Zuflucht Kirche, das aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammt

Zurückgehend durch die stark begangene Malserstrasse, die Haufpstrasse, sah ich dass es möglich war um auf die nördliche Stadtmauer zu steigen: eine steile Holztreppe führt zu einem halboffenen Korridor mit einem nach der Stadtseite ablaufenden Holzdach und einem Bretterboden. Nach Norden war die Sicht durch die Schiessscharten eingeschränkt – schon waren die halbzerfallenen Holzbalken die die Schiessscharten unterschützten richtig sichtbar. Der grösste Teil des Korridors über die Stadtmauer war nicht zugänglich: ein Holzgitter (mit Durchblick) zeigte das Ende, aber der Durchblick reichte aus.

Die Aussicht nach Süden über die Stadt war trotz des etwas trüben Lichtes jedoch schön: über die Dächer mit modernen Ziegeln waren das südliche Torgebäude und der Turm der St. Pankratiuskirche sichtbar und weiter entfernt auch die weisse St. Martinskapelle. Dadurch war der Kreis der Wanderung wieder geschlossen.

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Glurns: Blick vom Rundweg der nördlichen Stadtmauer auf die Stadt, die St. Pankratiuskirche und die St. Martinskapelle in der Ferne

Um halb fünf verliess ich das interessante Städtchen um nach Mals zurück zu gehen. Ich drehte mich abermals um: ich konnte sehen wo ich einige Zeit zuvor auf der Stadtmauer gestanden hatte und durch die Schiessscharten nach Norden geschaut hatte!

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Glurns: Blick auf das nördliche Stadttor aus dem 16. Jahrhundert vom Weg nach Mals gesehen

Auf dieser schönen Weise endete mein Aufenthalt in diesem Teil des Vinschgaus, der sehr beruhigend gewesen war. Morgen werde ich weiter reisen nach meinem nächsten Ziel, nicht ganz weit von hier, nach Sulden am Ortler, für Wanderungen mit etwas mehr Herausforderungen…